Auch das noch !
Von R. Vin
Ich bin schon lange ein großer Anhänger französischer Ess- und Trinkkultur. Als wir Teutonen noch überwiegend Kartoffeln und Sauerkraut lutschten, eine grobe, in Senfsoße gebadete Mettwurst für eine Delikatesse hielten und das langweilige Sättigungs-Einerlei mit Export-Bier aus Dortmund herunter spülten (Pfui Deibel!), begannen die Franzosen schon wieder das Rheinland zu besetzen. Diesmal aber in guter Absicht: Sie brachten uns auf den Erkundungspfad anderer Speisen und Getränke, die wir teilweise noch nicht kannten.
Vorreiter in Sachen Geschmackserziehung war Anfang der siebziger Jahre das Elsass. Als Grenzregion zu Deutschland war der Weg nicht weit und zumindest die Süddeutschen waren da wegen eben dieser Nähe schon etwas besseres Essen gewohnt.
Als vinologisches Zugpferd kam der elsässische Edelzwicker daher: Eine Verschnitt-Plörre aus Gutedel mit ein paar Anteilen besserer Rebsorten wie Pinot blanc oder sogar Riesling. Auch im Rheinland und in Bonn tranken wir Edelzwicker aus dicken Gläsern, die heute nicht mal als Zahnputzgläser ästhetischen Trinkansprüchen genügen würden.
Nach und nach kamen französische Weine aus den anderen Regionen auf den Markt und wir Deutschen als Weltmeister im Biertrinken fanden großen Gefallen an den vergorenen französischen Traubensäften.
Jetzt lese ich im April 2024, dass Franzosen selber immer weniger Wein trinken und inzwischen verstärkt vergorenen Gersten- statt Traubensaft inhalieren. Für mich ist das ein flüssiger Kulturschock. Er passt aber in die Gegenwart, wo immer mehr Menschen nicht mehr alle Tassen bzw. Gläser im Schrank haben.
Als Gründe für den sinkenden Weingenuss in Frankreich werden u.a. sich wandelnder Lebensstil mit weniger traditionellen Mahlzeiten in großer Gesellschaftsrunde, mehr Single-Haushalte und verändertes Ess-Verhalten genannt. Klar, wer auf der Straße im Gehen an einer amerikanischen Platt-Frikadelle (auch ‚Burger‘ genannt) herumkaut, wird dazu kaum ein Glas Chateau Petit Phillipe trinken, sondern einen pappigen Energydrink schlürfen. „Chacun à sa facon“, wie man in französischen Kolonien früher zu sagen pflegte.
Nun denn: Auch das Preis-Angebot französischer Weine ist besonders bei Discountern inzwischen auf einem Tiefpunkt angelangt, wie wäre es mit einem Rotwein für € 1,89? Da wird der fröhlich-misstrauische Rheinländer stutzig und besinnt sich auf eine seiner Lebenserkenntnisse: „Wat nix kost, es och nix“.
Lesen Sie in Kürze hier auf BONNDIREKT in der Genuss-Rubrik eine spezielle Weinprobe: Ich habe mir sechs Weine aus Deutschland, Frankreich und Österreich bei einem führenden Discounter zu Spottpreisen gekauft und in aller Ruhe zuhause verkostet. Danach bin ich umgehend ins Bett gegangen und habe ernsthaft überlegt, ob ich – wie die Franzosen – auch wieder mehr Bier trinken soll.
Sehr zum Wohl, à votre !